Familiennamen nach Herkunft

Die Entstehung der Familiennamen fällt zeitlich mit der Entfaltung der Städte zusammen. Die Bevölkerung kam hauptsächlich aus Orten der näheren Umgebung, doch hatten bedeutende mittelalterliche Städte einen großen Einzugsbereich. Die nähere Kennzeichnung der "Neubürger" nach dem Herkunftsort bot sich damals als Unterscheidung an, und so wurde häufig ein Beiname in Anspruch genommen. Im Regensburger Einwohnerverzeichnit von 1370 begnen uns mehrere Personen, deren Name auf Städte und Dörfer in der näheren Umgebung hinweisen. Beispiele: Seifrid und Jacob di Techpeter (Dechbetten), Hans GÆnchhofer (Gengkofen) etc.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts führten 28,6% der zugewanderten Personen einen Beinamen nach ihrem Herkunftsort.

Die geographische Verteilung vieler Familiennamen mit einem Namen nach ihrer Herkunft, stimmt mit den mittelalterlichen Wanderverhältnissen überein.

Zu den Familiennamen nach Herkunft gehören Volks- und Stammesnamen wie Bayer, Böhm etc. und Ableitungen von Länder- und Landschaftsnamen wie Allgäuer, Österreicher etc.. Die meisten Namen gehen auf die Städte und Dörfer zurück aus denen sie kamen. Gelegentlich findet man auch Familiennamen, die auf einen bereits verlassenen, oder nicht mehr existierenden Ort (Wüstung, Siedlung) zurück zu führen sind. Dies erklärt, warum es manchmal so schwer ist einen Namen zu bestimmen. Findet man keinen "genannten" Ort, so kann man den Familiennamen auch nicht bestimmen. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit kam es häufig vor, dass Dörfer einfach aufgegeben wurden und im nachhinein keinerlei Erwähnung in späteren Dokumenten fanden.

Zu Erwähnen ist hier auch, daß ein "von" im Namen nicht immer auf Adel schließen läßt. Beinamenbildungen kamen im MA sowohl beim Adel, als auch beim Bürgertum vor. Beispiel: Agnes von Auzpurkch und Ch. von Dynkchelspühel, erwähnt im Jahr 1370 (Regensburger Einwohnerbuch) - sie waren keinesfalls adlig.

In den bürgerlichen Kreisen traten im Laufe der Zeit andere Bildungsformen in Erscheinung, wie z.b. Ableitungen von Ortsnamen mit -er, während die adligen die Präpostion weiterhin behielten. Als Adelsprädikat begegnet uns die Präpostiion erst seit dem 17. Jahrhundert. Bürgerliche Namen mit "von", "van" sind noch heute im äußersten Nord- und Südwesten des dt. Sprachgebietes anzutreffen. Bloße Ortsnamen als Familiennamen, wie Hildesheim, Bielefeld etc. sind in Nord-, West- und Ostmitteldeutschland verbreitet. Ableitungen auf -er, wie Nürnberger, Wiener etc. sind oberdeutsch, kamen später aber auch im Norden vor. Ableitungen auf -mann (Münstermann etc.) sind vor allem im Nordwesten zu finden. Nordwestdeutsch ist z.b. auch die Endung -sch (vgl. Kölsch).

Familiennamen, die einen Orts-, Stammes-, oder Volksnamen zugrunde liegen haben, geben aber nicht immer die tatsächliche Herkunft des ersten Namensträgers an. Oft verbergen sich dahinter andere Motive (etwa Handelsbeziehungen, eine Reise oder eine Pilgerfahrt). Man kann also nicht ohne Zweifel annehmen, dass eine heutige Familie Böhm auch aus Böhmen stammte. Eine Familie namens Römer, war vermutlich ein Rompilger und kein gebürtiger Römer. Bei Stammesnamen wie Frank (auch Rufname) etc. kann es sich u.U. auch um einen Vatersnamen (Patronymika) handeln.

Familiennamen nach der Wohnstätte

Viele Familiennamen leiten sich nach der Wohnstätte (Lage des Wohnsitzes, bauliche und andere Besonderheiten des Hauses/Hofes) ab. Als Beispiel eigenet sich hier ein FN wie Bühl (mhd. bühel = Hügel), der auf einer Erhebung gewohnt haben könnte, aber auch auf einen gleich lautendenden Flur-/Ortsnamen zurückgehen könnte.

Landschaftliche Merkmale wurden häufig zu Bildung von FN herangezogen. Hinweise auf ein flaches Siedlungsgelände, auf Bodenerhebungen und -Vertiefungen können in Familiennamen wir Eben(er), Flach, Berg(er) etc. enthalten sein. Auf Wasserläufe, feuchten Boden, Sümpfe und Quellen beziehen sich FN wie Ach(er) zu mhd. ahe = Fluss, Bach, Beck (Bäcker und mnd. beke = Bach) etc. Familiennamen wie Sand, Griess, gehen auf mhd. griez "Kiessand", sandiges Ufer zurück. Häufige Bezeichnungen für Wald-, Gras-, Ackerland, Bäume und Büsche, waren ebenfalls sehr beliebt. Beispiele hierzu wären Busch zu mhd. busch = Gesträuch, Gehölz, Wald, oder Namen wie Birk(er), Ahorn(er) etc. Auch Orts- und Gemarkungsgrenzen, ein eingezäuntes Grundstück, Verkehrswege, markante Bauwerke und Befestigungsanlagen, Kennzeichen am Wohnhaus, haben deutliche Spuren hinterlassen. Beispiele hierfür sind Namen wir Paintner (zu mhd. biunte "eingehegtes Grundstück"), Kamp (mnd. kamp "eingezäuntes Feld"), Ha(a)g (zu mhd. hac "Dorngesträuch, Gebüsch") oder Koth(e) zu mnd. kote, kotte, kate "kleines niedriges Haus") zu nennen.

Eine weitere Gruppe von Familiennamen wie Althof, Langhof etc. ist die Ableitung es Namens nach einem Hofnamen. Aus dem Baseler Beleg Nicolaus Vulpes (Fuchs) de Dome (aus dem Haus) zem Fuchse (Anno 1289) ist zu ersehen, dass die Namen von städtischen Häusern auf die Bewohner übergehen konnten. In eingien Städten benannte man die Häuser nach den Hauszeichen mit bildlichen Darstellungen von Tieren (Fuchs, Geier etc.), nach Pflanzen (Blume, Rose etc.), Gegenständen (Krone, Spiegel etc.), Himmelskörpern (Stern, Sonne etc.) und anderen Motiven. In Köln treten Hausnamen bereits Mitte des 12. Jahrhunderts in Erscheinung, doch waren sie nicht überall üblich. Das Hauptverbreitungsgebiet ist der dt. Westen und Südwesten. Doch auch in Wien, Regensburg und andern Städten ist die Sitte der Häusernamengebung bezeugt. Ein solcher Name, kann aber nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Familie aus einer solchen Gegend stammt, ansonsten sind anderen Erklärungen der Vorzug zu geben.

Ursprünglich wurden Beinamen mit verschiedenen Präpostition und Artikel gebildet. Beispiele hierfür sind:
C an dem Wege (A. 1279), Berchtoldus Dictus (genannt) zem Tore (A. 1298), Hermannus up den Berghe (A. 1352);

Diese Bildungsweise ist bei FN wie Amborn, Amende, Amthor, Ingendahl, Ingenfeld (in dem Tal, in dem Feld), Verheyen (von der Heide), Vomberg, Vomend usw. erhalten geblieben. Mit der Zeit schwanden aber Präpostion und Artikel, so dass die folgenden Bildungsformen heute überwiegen. Man spricht also von einfachen Wohnstättennamen wie Berg, Bach, Wiese, auch mit Ableitung auf -er oder -mann.

Familiennamen nach Beruf (Amt, Stand)

Ein Motiv für die Namensgebung z.b. im Schmiedeberuf, zeigt verschiedene Möglichkeiten auf. Ein Name bezogen auf die Tätigkeit (Schmidt) oder ein Übername, der auf den Beruf anspielte (z.b. Hammer - als charakteristisches Werkzeug) oder auf das Material bezogen (Stahl) oder das Erzeugnis (Hugnagel), dass daraus entstand. Durch die Verwendung verschiedener Endungen, konnte man auch noch eine Bedeutung auf die Person selbst bezogen, ins Spiel bringen. Die Familiennamen Schmittke oder Hämmerle weisen also nicht nur auf den Beruf hin, sondern bringen die Einstellung des Namensgebers zum Benannten, als charakteristische Benennung (z.b. Spott) zum Ausdruck.

Mehrdeutigkeit von Berufsnamen
Häufig stellt sich heraus, dass das zugrunde liegende Wort mehrdeutig ist. So bezeichnet Scherer im mhd. den Tuchscherer, aber auch den Barbier. Ohne urkdl. Nachweis auf die Tätigkeit, kann man also nicht bestimmen, welche Bedeutung zugrunde liegt.

Auflistung der in Deutschland am häufigsten vertretenen Berufsnamen (als Familiennamen):
Müller, Schmidt, Schneider, Fischer, Meyer, Weber, Wagner, Becker, Schulz, Hoffmann, Schäfer, Koch, Bauer und Richter, als Berufs-, Amts-, und Standesbezeichnungen.

In den großen Städten war die Arbeitsteilung und Spezialisierung innerhalb der einzelnen Gewerbe im MA viel ausgeprägter, als in kleinen Städten und Dörfern. Um 1300 gab es in Wien etwa 100 verschiedene Berufe, im Jahr 1440 zählte Frankfurt 191 selbständige Berufszweige. Sehr groß war die Differenzierung in der Metallverarbeitung. Kleinere Städte wie Crailsheim und Gunzenhausen wiesen dagegen im Jahr 1497 nur 4/5 metallverarbeitende Berufe auf.

Heute haben sich zahlreiche Familiennamen erhalten, deren Berufsbezeichnungen schon lange nicht mehr existieren. Hierzu gehören FN wie Lasser (Aderlasser), Schröpfer, Armbruster, Helmer etc.

Das Müller der häufigste Familienname ist, darf nicht verwundern, denn die Mühle spielte früher eine entscheidende Rolle für die Versorgung der Bevölkerung. Neben Öl- und Getreidemühlen gab es auch Schneidemühlen (Holzverarbeitung), Walkmühlen (Tuchherstellung) und Lohmühlen (Gerberei), die Eichenrinde (Lohe) für das gerben verarbeiteten. Der Familienname Schmidt, ist deshalb so verbreitet, weil auch in kleinen Orten ein Schmied benötigt wurde. Familiennamen, bei denen eine allgemein verbreitete Berufstätigkeit zugrunde liegt (Becker, Weber) sind häufiger vertreten, als Namen, die einem speziellen Berufszweig (z.b. Kuchenbecker) angehören.

Für manche Berufsnamen, waren die Ressourcen und die wirtschaftgeographischen Gegebenheiten aussschlaggebend. Vgl. hierzu Namen wie Reber, Weingärtner etc. Diese konnten nur in Gebieten entstehen, in denen die klimatischen Bedingungen den Weinbau erlaubten.

Da sich in Deutschland die Führung eines Bei- bzw. Familiennamens zu Beginn der Neuzeit bereits allgemein durchgesetzt hatte, haben die seit dem 15. Jahrhundert entstandenen Gewerbe und Ämter nur einen geringen Anteil am Familiennamenschatz erlangen können. Immerhin sind Berufe wie Buchbinder, Buchdrucker, Kutscher unter den heutigen Familiennamen vertreten.
Familiennamen als Übernamen

Eine große Rolle bei der Namensgebung spielten auch sog. Übernamen. Die Anzahl der Familiennamen die zu dieser Gruppe zählen, ist wohl auf die Einfachheit zurück zu führen. Im Einzelfall kann man jedoch heute nicht mehr ermitteln, warum jemand Schwarz, Lang oder König genannt wurde. Dennoch lassen sich im allgemeinen Beweggründe finden. Bei der Vergabe liegen prinzipiell zwei Anlässe zugrunde. Entweder ein dauerhaftes Merkmal oder ein vorübergehendes bzw. zufälliges Merkmal des Namensträgers.

Als konstante Merkmale erweisen sich Eigenschaften, die an die nächste Generation weitergegeben wurden (z.b. Krankheiten, Aussehen, Verhaltensweisen etc.) und nicht zu vergessen, Kennzeichen aus dem sozialen Umfeld (familiäre Verhältnisse, Beruf, gesellschaftliche Stellung oder Vermögensverhältnisse).

Viele Übernamen gehen auf körperliche bzw. äußerliche Merkmale des Namensträgers zurück. Sehr stark vertreten sind auch Übernamen, die an geistige und charakterliche Eigenschaften, Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Vorlieben anknüpfen.

Als Beispiel für einen zornigen Charakter oder ein streitlustiges Verhalten, finden sich Übernamen wie Hebenstreit (fang wieder streit an) oder Schell (zu mhd. schell, jemand der schnell in Rage gerät) etc. Es gibt natürlich auch positive Übernamen (vgl. z.b Wohlgemuth, für jemanden mit sonnigem Gemüt).

Im mitterlalterlichen Alltagsleben war der Austauch von Neuigkeiten eine wichtige Zersteuungsmöglichkeit. Dass dabei die Grenze zwischen harmloser Plauderei und übler Nachrede leicht überschritten werden konnte, liegt auf der Hand. Grundsätzlich sollte man die Bedeutung hier nicht überbemessen. Aus einem "mal aufgebrachten" Menschen, wurde vielleicht ein "ständig aufgebrachter" Namensträger. Aber auch die Plaudertaschen kamen nicht zu kurz. Hier sind Familiennamen entstanden, die sich auf Redseligkeit, Verleumdung oder Neugier beziehen. Als Beispiel gelten Familienamen wie Melde (zu mhd. melde = Verleumdung, Gerücht, Gerede) oder Schnabel (bildlich für einen geschwätzigen Menschen).

Weitere Übernamen leiten sich auf Begriffen wie: Bosheit, Geiz, Eitelkeit, Habgier, Prahlerei, etc. ab. Hier ließen sich unzählige Begriffe aufführen, die den Artikel nur unnötig in die Länge ziehen würden. Im Grunde kann man also sagen ein Übername entstand aus einer Eigenart. Interessant sind hier auch Namen, die sich auf Ess- oder Trinkgewohnheiten beziehen. Als Beispiele hierfür: Bierfreund, Bierhals etc. Zwei Gruppen von Eigenschaften treten bei den Übernamen besonders hervor: Rührigkeit, Munterkeit einerseits, Faulheit und Trägheit andererseits. Diese häufige Anknüpfung kann im Zusammenhang mit der erhöhten Wertschätzung von Arbeit und entsprechender Missbilligung des Müßiggangs, sowie mit dem vor allem in Städten, zutage tretenden Streben nach sozialem Aufstieg gesehen werden.

Als vorübergehende / zufällige Merkmale sind einmalige Handlungen und Tätigkeiten (z.b. eine Pilgerfahrt), besondere Begebenheiten (auffällige Kleidung) oder eine Äußerung oder außergewöhnliches Verhalten anzusehen. Hierzu zählen auch Spitznamen. Heute läßt sich nicht mehr eindeutig ermitteln, ob z.b. für den Romer/Römer eine Deutung im Sinne von "Rompilger", vom Ortsnamen, oder eine Hausnamen, oder einem Übernamen zu mnd. romer, rühmer = Prahler, ableiten läßt.

Zur Bildung von Übernamen stand dem Namensgeber der gesamte Wortschatz zur Verfügung. Bestimmte Bereiche wurden jedoch bevorzugt herangezogen, da sie besonders gut geeignet waren, das Namensgebungsmotiv unmittelbar, umschreibend oder bildlich zum Ausdruck zu bringen. Mit den entsprechenden Eigenschaftswörtern ließen sich körperliche, charakterliche und geistige Eigenschaften audrücken. Beispiele: Kurz, Klein, Grimm, Sauer, Bart etc. Tierbezeichnungen wurden häufig verwendet. Sie eigneten sich gut für bildliche Darstellungen oder Umschreibungen. So konnte man mit Fuchs nicht nur den schlauen oder den rothaarigen charakterisieren, sondern auch die Tätigkeit eines Kürschners, der Fuchspelze verarbeitete. Bezeichnungen für Produkte aus Handwerksbetrieben, oder Erzeugnisse auf der Landwirtschaft boten Möglichkeiten für eine Anspielung auf den Beruf. Beispiele sind Kessel, Korb etc. für den Hersteller findn sich Begriffe wie Bohne, Knoblauch etc. für die Bezeichnung des Bauern. Verwandtschaftsbeziehungen konnte man als familiäre Situation benutzen. Weitere Bezeichnungen z.b. für Feste (Pfingsten), Wochentag und Monate, Münzen oder Gewichte, fanden ebenfalls Einzug bei den Übernamen. Durch weltliche und amtliche Würdenträger (Graf, Bischof) ließen sich verschiedene Formen der Abhängigkeit des Namensträgers von einem Grundherrn darstellen.

Hinsichtlich der Bildungsweise stellen die Satznamen eine besondere Gruppe der Übernamen dar. Sie können durch Beruf oder Verhalten sowie bestimmte Gewohnheiten des benannten motiviert sein. Beispiele hier sind Satznamen die sich auf die Berufstätigkeit beziehen, wie Quellmalz (für den Mälzer), Schwinghammer (Schmied) etc. Ein besonderes Beispiel sind Satznamen die aus Befehlssätzen entstanden. Ein Beispiel: Blievernicht (ich bleibe hier nicht).

Formenvielfalt und landschaftliche Prägung
Man schätzt, dass gegenwärtig die Anzahl der Familiennamen deutscher Herkunft mehr als eine halbe Million beträgt. Die Formenvielfalt der deutschen Namen hängt unter anderem mit den verschiedenen Schreibvarianten zusammen. Erst mit der Einführung des Standesamtes kam es zu einer verbindlichen Schreibung. Bis dahin konnt sich ein und diesselbe Person nach belieben, Kramer oder Cramer schreiben. Verschiedene Möglichkeiten der schriftlichen Wiedergabe von Lauten und Lautverbindungen, die meist ältere z.T. auch regionale Schreibgewohnheiten wiederspiegeln, sind erhalten geblieben. Viele Varianten sind bis heute noch nicht auf eine einheitlich geregelte Kennzeichnung der Vokalklänge zurück zu führen. Beispiele: Bader/Baader oder Bär/Bähr. Die unterschiedliche Wiedergabe des Umlauts z.b. für Varianten wie Krämer/Kraemer/Kremer. Oft trifft man auf Schreibung von "I" = "Y" oder "AI" = "EI" (Maier, Meier).... Hier noch zu erwähnen, dass "ß" im handschriftlichen oft als "hs" gelesen wurde.

Die zahleichen Lautvarianten, die in den Familiennamen zu Tage treten, hängen mit der sprachlichen Entwicklung zusammen. So gibt es zwischen dem hochdeutschen und dem niederdeutschen Unterschiede bei vielen Konsonanten: Beispiel: hd. Pf-/ nd. P- (Pfeiffer, Pieper), hd. -F./ nd. -P- (Kaufmann/Koopmann), hd. z / nd. t (Holz/Holz), hd. ss, ß / nd. T (Gross, Groß/Groot), hd. ch- / nd. -k (Eichmann/Eickmann).

Die langen mhd. Vokale I und U entwickelten sich zu den neuhochdt. Diphtongen EI und AU, doch hat das alemannische die langen Vokale bis heute bewahrt. Auch im niederdt. sind mnd. I und U unverändert geblieben. Daher treffen wir heute auf Geiger neben Geyger, Schneider neben Schnieder usw.

Der häufige Familienname Neumann spiegelt den Wandel von mhd. IU zu mhd EU (mhd. niuwe = nhd. neu) wider. Naumann ist ein typisch mitteldeutscher Familienname, dem mhd., md. nuwe = nau zugrunde liegt. Niemann (mnd. nie = neu) ist im nd. Gebiet heimisch. Familiennamenformen mit Umlaut (Brückner, Gärnter) stehen denen ohne Umlaut (Bruckner, Gartner) gegenüber. Letztere sind für den oberdt. Raum charakteristisch.

Durch Rundung z.b. E = Ö und Entrundung z.b. EU = EI, Ü = I sind zahlreiche Lautvarianten entstanden. Beispiele: Werner, Wörner oder Leuthold, Leithold etc. Charakteristische Lautentwicklungen des nd. sind u.a. der Wandel von -er- zu -ar- (Berthold = Barthold) und von -aw- zu ag- (Pawel/Paul/Pagel). Der Schwund von R vor ST (Karsten/Kasten) sowie von D zwischen den Vokalen (Dedeke, Dederich/Dietrich, Deeke, Gödecke, Gottfried, Göcke). Anlautendes P- statt B- findet sich häufig in Bayern und Österreich. Beispiele: Pach/Bach etc. Auch der Ausfall von unbetontem -E- ist für den bairisch-österreichischen Sprachraum charakteristisch. Beispiele: Pauer/Paur, Maier/Mair etc.

Unter dem Einfluss der hochdt. Schriftsprache sind im Laufe der Zeit viele nddt. und andere mundartliche Lautungen aufgegeben worden. Die Anpassug an die Schriftsprache hat jedoch nicht alle FN gleichermaßen erfaßt. So wurde z.d. der nddt. Familienname Witt viel seltener zu Weiss umgewandelt als Swart zu Schwarz. In der Schweiz kommen die undiphtongierten mundartlichen Formen Gyger/Gi(eg)ger öfter vor, als Geiger. Hingegen begegnet uns die Form Schneider wesentlich häufiger als Schnyder/Schni(e)der.

Wortgeographische Unterschiede lassen sich aus den den aus Übernamen hervorgegangenen Familiennamen beobachten. So entspricht bspsws. dem norddt. FN Fett dem süddt. FN Feist. Für Link(e) findet sich in Bayern und Österreich Dengg/Tenk. In Norddeutschland Lucht. Im nddt. tritt Böse als Quade/Quadt in Erscheinung.

Das regionale Unterschiede in der Bildungsweise zur Vielfalt der dt. FN beigetragen haben, zeigt sich anhand dieser Beispiele:
Patronymische Bildungen auf -ena (Dekena) und -ma (Meinema, Reemtsma) sind friesischer Herkunft;
Familiennamen aus -sen (abgeschwächt aus Sohn) sind für den Norden, insbesondere Schleswig, charakteristisch (vgl. Andressen, Petersen);
Im Westen (nördl. d. Eifel und des Westerwaldes) und im Nordwesten sind patronymische Bildungen im Genetiv häufig anzutreffen.
Familiennamen wie Adams, Alberts etc. enthalten die Endung -s, des starken Genetivs.
Familiennamen wie Heinen, Koeppen etc. weisen auf die Endung -en des schwachen Genetivs.
Typisch für dieses Gebiet sind ferner patronymische Bildungen im Genitiv zu Berufsnamen (Beckers, Kremers).
Patronymische Bildungen auf -ing wie Nölting, Büsching etc, sind vor allem im norddt. Raum westlich der Elbe anzutreffen.
In Süddeutschland werden Abstammung bzw. Familienzugehörigkeit mit dem Suffix -er ausgedrückt (Seidler, Hensler), auch in Schlesien üblich;
Bemerkenswert ist das häufige Vorkommen von metronymischen Familiennamen in Schlesien z.b. Eitner (Agathe), Irmler (Irmentrud)...;

Kose- und Verkleinerungsformen werden mit landschaftlich unterschiedlichen Suffixen gebildet. FN mit -K- Suffix begegnent uns im nddt., z.T. auch im nördl. Teil des mitteldeutschen Dialektraums. Hier sind Familiennamen aus Rufnamen wie Heinecke, Heinicke, Heinke (Heinrich) etc., aus Berufsnamen wie Schmidtke, aus Übernamen wie Kleinke heimisch. Mitteldeutscher Herkunft sind Familiennamen auf -gen (Söhngen) und -chen (Schmidtchen). Vorwiegend oberdeutsch, z.t. auch mitteldeutsch sind Ableitungen auf -el (Dietel, Friedel). Familiennamen auf -l sind für Bayern und Österreich charakteristisch. Beispiel: Dietl, Heindl etc. Familiennamen auf -le (Eberle, Merkle etc.) sind schwäbischen Ursprungs. Im äußersten Südwesten und in der Schweiz sind Bildungen auf -li(n) beheimatet. Beispiel: Kläusli, Merklin etc.

Herkunfts- und Wohnstättennamen auf -mann (Münstermann, Dahlmann) sind vor allem im Norden und Nordwesten zahlreich vertreten, im südlichen Teil des dt. Sprachgebiets sind Ableitungen auf -er von Orts- und Örtlichkeitsnamen vorherrschend (Bühler, Moser etc.). Zu Ortsnamen auf -bach hat sich in Bayern und Österreich eine ältere Einwohnerbezeichnung auf -beck erhalten. So bringen Steinbeck und die jüngere Bildung Steinbacher gleichermaßen die Herkunft des ersten Namensträgers aus dem Ort Steinbach zum Ausdruck.

Familiennamen aus Rufnamen

Den FN aus Rufnamen liegt eine Beziehung des ersten Namensträgers zu einem anderen Menschen zugrunde. Bei den Meisten FN aus dieser Gruppe handelt es sich um Vatersnamen (Patronymika). So konnte der Träger des Rufnamens Heinrich durch die Angabe Friedrichs Sohn genauer identifiziert werden. Gelegentlich sind jedoch auch andere verwandtschaftliche Bezieungen für die Entstehung ausschlaggebend gewesen.

Dies geht z.b. aus den Breslauer Belegen (um 1300) hervor: Nickel des langen Diterich Bruder = Nickel Langediterich und Hermannus Gener (Schwiegersohn) Zacharie = Hermannus Zacharie;

Vereinzelt finden sich auch Familiennamen aus weiblichen Rufnamen. Sie werden als Mutternamen (Metronymika) bezeichnet und weisen nicht unbedingt auf eine uneheliche Herkunft des Namensträgers hin. Vielfach beruhen sie auf der höheren Stellung (Bekanntschaft) der Mutter in der jeweiligen Gemeinschaft.

Vorstufen von Familiennamen aus RN, die aus einer genealogischen Angabe in Form einer Beifügung im Genitiv bestehen, sind in frühen Quellen zahlreich überliefert.

Beispiele: Rihperht Filius Imperhti (Sohn des Imperht), Cundalperht Filius Helmuuini (Sohn des Helmwin);

Manchmal kann man die Entstehung eines solchen Bei- bzw. Familiennamens verfolgen. Der Sohn des Regensburger Bürgers "Gumperti Monetarii" (Gumpert Münzer) ist im Jahr 1266 als Chunradus Gumperti Filius (Sohn des Gumpert) benannt; im Jahr 1287 als Chunradus Gumperti (Gumperts) und im Jahr 1300 als Chunrat Gumprecht urkdl. beszeugt.

Sicher haben nicht alle FN diese Entwicklungsstufen durchlaufen müssen, doch ist die erste Stufe dieses Entstehungsmusters noch heute bei norddt. Familiennamen auf -son (abgeschwächt -sen) sichtbar. Etwa bei Peterson und Petersen. Die zweite Stufe (Unterdrückung des Wortes "Sohn", aber Beibehaltung der Genitivendung) tritt bei den in West- und Norddeutschland verbreiteten Famliennamen in Verbindung mit. -s (starker Genitiv) und -en (schwacher Genitiv) in Erscheinung. Vgl. hierzu Peters und Otten. Am häufigsten im gesamten Sprachgebiet vertreten sind endungslose Familiennamen wie Albrecht, Dietrich etc. Patronymische Bildungen auf -er (Dietler) sind für den oberdt. Raum charakteristisch. Auf -ing (Everding) endende Familiennamen sind im niederdt. Gebiet westlich der Elbe verbreitet. Auf -ing(a) lauten auch Namen alemannischer Herkunft. Friesischer Herkunft sind patronymische Bildungen auf -ena. So ist z.b. der Name Agena als Sohn des Ag(g)e (Agimar, Agimund) aufzufassen. Familiennamen wie Petermann, Dietel, Wilke sind meist aus einer Koseform von Peter, Dietrich oder Wilhelm entstanden, doch können sie gelegentlich auch als patronymische Formen im Sinne von "Sohn des Peter" (Dietrich, Wilhelm) aufgekommen sein.

Familiennamen aus Rufnamen spiegeln zur Zeit der Entstehung (12.-15. Jh.) bestehenden Rufnamenschatz wider. Dementsprechend sind die Familiennamen aus dt. Rufnamen sehr zahlreich vertreten. Einen wichtigen Anteil hatten auch die seit dem 12. Jh. verbreiteten christlichen Rufnamen.

Rufnamen bestehen zumeist aus zwei Namensbestandteilen, vgl. hier Albrecht (ahd. adal = edel, vornehm + ahd. beraht = glänzend). Kurz- und Koseformen wie Hein, Heinke und einstämmige Namen wie z.b. Ernst seien hier ebenfalls zu nennen.

Christliche Rufnamen stammen aus verschiedenen Sprachen, vor allem aber aus dem hebräischen, griechischen und lateinischen. Die sprachliche Vermittlung erfolgte über das Kirchenlatein. Sie wurden sehr schnell dem Laut- und Namenssystem des deutschen angepaßt, so dass sie bald nicht mehr als Fremdnamen zu erkennen waren. Hierzu trug z.b. der Verlust der unbetonten Endungen bei. Aus Paulus wurde Paul, aus Johannes wurde Johann usw. Der Schwund der Anfangsbetonung trug zu Namensbildungen wie Bart(h)el aus Bartholomäus etc. bei. Viele Familiennamen wurden zusammengezogen, so wurde aus Nikolaus = Nicklas. Mithilfe der üblichen Endungen wurden auch zahlreiche Ableitungen gebildet. Beispiele sind: Hansel, Hensel etc.

Weitere Variationen sind die zusammengesetzten Familienenamen, dessen erster Teil ein Eigenschaftswort und der zweiter ein Rufname war. Beispiele hierfür: Althand, Gutheinz etc. Seltener sind zusammengesetzte Rufnamen mit Angabe der Tätigkeit oder des Wohnsitzes. Beispiele hierfür sind: Schmidkunz, Hofheinz etc. Eine weitere Variation sind Namen die aus zwei Rufnamen zusammengesetzt wurden.

Im Familiennamenschatz haben sich manche Rufnamen erhalten, die seit Jahrhunderten nicht mehr vergeben werden. Etwa Adelgoß und Adelhoch. Der große Umfang des heutigen Inventars der Familiennamen aus Rufnamen hängt vor allem mit der Vielzahl von Formen zusammen, die aus einem Rufnamen entstehen können. Der Familienname Arnold, begegnet uns auch in Varianten wie Arnoldt und Arnolt. Er geht auf eine Umdeutung des zweiten Bestandteils von Arnold in Anlehnung an das Adjektiv "hold" zurück. Die Familiennamen Ahrend(t), Arnd(t) (mit den patronymischen Formen Ahrend(t)s, Ahrens) sind zusammengezogene Formen von Arnold. Kosenamen-Bildungen finden wir bei Arnemann, Ernemann, Arneke usw. vor. Aus einer Kurzform von Arnold, die den Auslaut des ersten Namenwortes und den zweiten Namensbestandteil enthält, sind Nolde, Nolte Nöldeke, Nolting entstanden. Mit diesen Beispielen sind keinesfalls alle heute vorkommenden Ableitungen von Arnold erfasst, doch vermitteln sie einen Eindruck von der außerordentlichen Vielfalt dieser Gruppe.

QUELLE: DAS GROßE LEXIKON DER VOR- UND FAMILIENNAMEN
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